Dienstag, 24. April 2018

¡Todavía viviendo!

Hola amigos,

Erstmal unschuldige ich mich für die lange Pause, dafür wird der heutige Post etwas länger.

Sonnenuntergang am Strand bei Manuel Antonio
In den langen Ferien habe ich noch zwei weitere Ausflüge unternommen. Als erstes fuhr ich vom 05.-07.02. zusammen mit 7 anderen Austauschschülern aus Deutschland und der Schweiz noch einmal zum Nationalpark Manuel Antonio. Den kompletten Tag, den wir dort hatten, verbrachten wir natürlich direkt im Park, wo wir vormittags einige Stunden wanderten und uns bis wir um 4 raus mussten noch eine Weile an dem traumhaften Strand entspannten. Ansonsten erkundeten wir noch ein wenig den Ort Quepos oder saßen gemütlich im Gemeinschaftsraum unseres Hostels.

Unsere Gruppe (es fehlt eine Schweizerin, die das Foto gemacht hat)




Der Krater von Miravalles
Am Wochenende vom 10.-11.02. besuchte ich dann mit meiner Gastfamilie und Marla den Vulkan Miravalles. Schon aus einiger Entfernung konnten wir den starken Geruch von faulen Eiern wahrnehmen, und als wir schließlich den öffentlich zugänglichen Krater erreichten, stiegen an mehreren Stellen schwefelhaltige Dämpfe aus schlammigen blubbernden Löchern auf. Auch wenn wir es bei dem unertäglichen Gestank nicht lange dort aushielten, war es ziemlich faszinierend, dieses Naturschauspiel einmal zu beobachten.






Vor den kleinen Nasenbären, die sich im in der Nähe des
Kraters angesiedelt hatten, war nichts sicher
Auch ein Pfau zeigte sich uns in voller Pracht
Die Nacht verbrachten wir in einem nahegelegenen Hotel mit Thermalbädern, wo wir den Nachmittag und Abend entspannend in dem warmen Wasser verbrachten. Außerdem entdeckten Marla und ich einige Plätze auf dem Gelände, die sich perfekt für Fotos eigneten. Hier erhaltet ihr einen kleinen Einblick:

Das Hotelgelände am Tag... 


... und am Abend










Am ersten Schultag gab es nachmittags eine kleine Feier, zu der
natürlich alle ihre neue Schuluniform trugen
Seit dem 12. Februar bin ich jetzt hier in der 11. Klasse, dem Abschlussjahrgang. Genau wie in Deutschland gibt es viele Traditionen und Besonderheiten im Zusammenhang mit dem Abitur (oder auf Spanisch bachillerato), so haben wir für dieses Schuljahr eine andere Uniform bekommen und es gibt Veranstaltungen wie eine Mottowoche, einen Abschlussball und die "Serenatas", bei denen die Jungs die Häuser der Mädchen und die Mädchen die Häuser der Jungen aus dem Jahrgang nachts besuchen, um vor dem Fenster zu singen und den- oder diejenige mit auf ihren Rundgang zu nehmen, bis sich am Ende alle treffen und eine große Feier veranstalten. Leider werde ich zu diesen Events nicht mehr hier sein, da diese immer am Ende des Jahres, also Oktober oder November stattfinden.

Meine Geschenke






Zu meinem 17. Geburtstag am 18.02. boten mir meine Gasteltern an, einige Freunde einzuladen, außerdem waren meine Gastgeschwister da, wir grillten und saßen den ganzen Abend draußen und redeten über Gott und die Welt. Ich bekam viel mehr Geschenke, als ich erwartet hatte, meine Gastgeschwister schenkten mir Handtücher, ein Parfüm, Lippenstifte und ein Sporttop, von meinen Gasteltern bekam ich eine Bluse, eine Jeans und Blumen und meine Freunde hatten mir einen hübschen Traumfänger und haufenweise Süßigkeiten gekauft.










Besser hätte ich mir meinen Geburtstag im Ausland nicht vorstellen
können: gemeinsam mit meinen Freunden, die ich alle schon
unglaublich ins Herz geschlossen habe


Einige Wochen später fragte meine Schule uns Austauschschüler, ob wir nicht Lust hätten, an einem Projekt teilzunehmen, dass sie für alle Schüler mit nicht-costaricanischer Nationalität vorbereitet haben. Unsere Ausfgabe war, einen deutschen Stand für eine Art Messe in der Bibliothek vorzubereiten, mit welchem wir unsere Heimat vorstellten (Architektur, Essen, Sport, Traditionen,...). Außerdem sollten wir etwas backen, und wir entschieden uns für Brezel. Da es sich etwas schwierig gestaltete, die Brezel in ihrer eigentlichen Form in die Lauge zu befördern, formten wir schließlich einfach kleine Bällchen und nannten sie Laugenbrötchen. Das Projekt war ein voller Erfolg, und die Schüler verließen die Bibliothek mit gefüllten Köpfen und Bäuchen, nachdem sie neben Deutschland auch Italien, Japan, Mexiko, Guatemala, El Salvador, die USA, Kolumbien und Nicaragua kennenlernen konnten.

Unser Projekttisch, bestückt unter anderem mit einem Räuchermännchen, einer Brezel und deutscher Zeitung

Da haben wir uns mal ganz unauffällig beim Mexiko-Tisch bedient ;D


Unsere Projektgruppe


Vergleichbar mit Ostern ist hier die "Semana Santa", die sogannte heilige Woche. Gemeint ist die Woche, in der Gründonnerstag, Karfreitag und Ostersonntag liegen, also dieses Jahr vom 26.03.-01.04. In den damit verbundenen Ferien unternahm ich viel mit den anderen Austauschschülerinnen, zum Beispiel feierten wir den Geburtstag einer Freundin oder machten ein Fotoshoot in San Ramón. Hier wieder einige Impressionen:


Ich finde, wir geben ein gutes Gürteltier ab, oder?



Eines der schönsten Erlebnisse dieser Woche war ein Ausflug in das nahegelegene Dorf Sarchí, welches für seine traditionelle Handwerkskunst bekannt ist. Die Entscheidung fiel recht kurzfristig, als ich mich mit drei Freundinnen zu einem eigentlich entspannten Tag in Palmares traf. Wir besichtigten die Kirche und den Park, aßen Crêpe zum Mittag und verbrachten den Rest des Tages auf dem großen Handwerks- und Souvenirmarkt.









Der Essbereich
Nach der Semana Santa ging es für mich nicht sofort mit der Schule weiter, denn ich nahm eine Woche an einem von CAS als "Agrar- und Sozialprojekt" beschriebenen Ausflug teil. Die Reise zu der "Rancho Tinamu", wo wir untergebracht werden sollten, begann mit einigen Hindernissen, da ein Junge fünf Minuten zu spät kam und wir somit alle zwei Stunden lang auf den nächsten Bus warten mussten. Wir fuhren zuerst nach Quepos, wo wir von dem Besitzer der Ranch, Santiago, abgeholt wurden. Nachdem wir alle in dem umgebauten Pick-up untergebracht waren (auf der Ladefläche gab es zwei Bänke und ein Dach) machten wir uns auf zu einer etwa einstündigen Fahrt durch die Berge auf, während derer wir einige Male atemberaubende Ausblicke genießen konnten und auch schnell merkten, wie abgelegen von allem der kleine Bauernhof lag, wo wir die Woche verbringen sollten. Bei unserer Ankunft wurden wir sofort von Santiagos Frau Consuela mit selbstgepresstem Saft und Keksen begrüßt und lernten auch die beiden jüngsten Söhne (14 und 22) der Familie kennen, mit denen wir uns in den nächsten Tagen noch ziemlich gut anfreunden sollten. Später kam noch eine ältere Schwester mit ihrer dreijährigen Tochter dazu, und nachdem sich alle vorgestellt hatten, bekamen wir eine kleine Führung über das Gelände.
Unsere Unterbringung war recht simpel: wir schliefen in zwei Räumen einer großen auf Stelzen stehenden Holzhütte ohne Licht und Strom. Da unsere Handyakkus spätestens am zweiten Tag leer waren und nur eine von uns schlau genug war, eine Taschenlampe mitzunehmen, hieß es bei Kerzenschein duschen und so früh wie möglich schlafen gehen, da es ab um 6 abends komplett dunkel wurde.



An einem Tag hatten wir einen kleinen
Skorpion im Zimmer


Unsere Begegnung mit der "Mica parajera",
einer der verbreitetsten Würgeschlangen
Costa Ricas
In dieser Woche habe ich wahrscheinlich mehr über Natur gelernt als in einem Jahr Biounterricht, sei es über verschiedene Gift- und Würgeschlangen (die wir auch leibhaftig antrafen), Frösche, Vögel oder Costa Ricas Flora. Unsere Aufgaben waren ziemlich vielfältig und reichten von Laub rechen und Hütten säubern über Empanadas und Tortillas backen bis hin zu Tiere füttern und einen Pfad mitten in den Dschungel schaufeln. An einem Tag liefen wir in das 3,5 km entfernte Dorf, um in der Grundschule dort auszuhelfen, die jedoch nur aus 6 Schülern bestand. Die bei weitem schlimmste und verstörendste Erfahrung, die ich während meines Aufenthaltes gemacht habe, fand am letzten Tag statt, als ein Arzt vorbei kam, um die fünf männlichen Schweine auf dem Hof zu kastrieren. Dies wurde ohne Betäubung ausgeführt, und die Mischung aus den lauten Schreien der Tiere und der Menge des Blutes führte dazu, dass wir an diesem Abend alle recht wenig Appetit hatten.





Unsere freie Zeit verbrachten wir größtenteils an einem Wasserfall im Wald ca. 400m entfernt von der Ranch, wo wir entweder im Wasser Volleyball spielten oder uns einfach eine Weile entspannten. Außerdem stellte uns die Familie die "Mutprobe", eine der Chilis zu essen, die bei ihnen wuchsen (der Schmerz war unvorstellbar ;D).
Zusammenfassend war es also eine unglaubliche und einzigartige Woche, die ich lange nicht vergessen werde und mir eine vollkommen neue Lebensweise gezeigt hat.





























Zuletzt komme ich noch zu einem sehr einprägsamen, jedoch leider nicht wirklich positiven Ereignis.
Vom 19.-22.04. sollte für alle Schüler meiner Organisation CAS ein Ausflug in die Kolonialstadt Granada in Nicaragua stattfinden. Im Programm inbegriffen waren der Besuch eines Schokoladenmuseums, eine Inseltour im großen See, eine Stadtführung und vieles mehr. Am Morgen des 19. machten wir uns motiviert und aufgeregt auf den Weg, kamen wie geplant gegen Nachmittag an und gingen sofort zu unserem ersten Programmpunkt, einem Aussichtsturm direkt gegenüber von unserem Hotel. Hier einige Bilder von der Aussicht:




Das war unsere Reisegruppe

Kurz nach unserer Rückkehr bemerkten wir, wie Leute mit Schildern durch die Straßen liefen und Dinge wie "¡Viva la democracía!" riefen. Ein Mitarbeiter des Hotels erklärte uns, dass die Regierung durchzusetzen versuchte, die Renten der nicaraguanischen Bürger zu kürzen und gleichzeitig Abgaben zu erhöhen. Viele Menschen dort leben jedoch schon jetzt in Armut und wären überhaupt nicht fähig, mehr zu zahlen. Das führte zu Spannungen überall im Land, die an unserem ersten Abend dort begannen auszubrechen. Als wir gerade im Außenbereich eines Restaurants beim Abendbrot saßen, bemerkten wir, wie sich an einer Straßenecke ein kleiner Tumult bildete. Im nächsten Moment liefen schon die Kellner auf uns zu und forderten uns auf, nach drinnen zu gehen und dort weiter zu essen. Verwirrt und ein wenig panisch folgten wir der Anweisung, und kurz darauf wurde uns erklärt, dass einige Protestanten Steine geworfen hatten und es daraufhin zu einem Zusammenstoß mit der Polizei gekommen sei. Die besorgten Betreuer bestellten uns ein Bustaxi, um zum Hotel zurückkehren zu können, und niemand war sicher, wie dieser Ausflug weitergehen sollte.

Ein Ausschnitt der Proteste am Nachmittag, wie wir
sie vom Hotel aus beobachten konnten


An jedem Platz am Tisch gab es dieses
Zeichensprache-Alphabet
Der nächste Morgen fing dann erstmal recht normal an. Wir konnten im Schokomuseum frühstücken, gingen danach zusammen zu einem Supermarkt, um Wasser zu kaufen (es bestand die Möglichkeit, dass Wasser und Strom am Nachmittag oder Abend abgestellt würden, um gegen die Protestanten vorzugehen) und zum Mittagessen lernten wir das interessante Konzept des "Café Sonrisa" kennen, welches neben der Gastronomie auch Hängematten zum Verkauf anbietet und wo nur taubstumme Männer und Frauen arbeiten. Gestärkt von Burritos und Zimtbananen kehrten wir nun ins Hotel zurück.

Auch an den Wänden gab es Zeichensprache zu lernen












So werden Hängematten hergestellt


Das Hotel von innen
Gegen um drei gingen von neuem Proteste los, zuerst vollkommen friedlich, mit Einbruch der Nacht wandelte sich jedoch wieder die Stimmung. Während wir im Hotel saßen und kalte Pizza aßen, die die Betreuer schon mittags gekauft hatten, pokerten oder im Pool badeten, hörten wir von draußen ca. alle 10-20 Sekunden laute Knalle, die laut der Hotelbesitzer wahrscheinlich von Böllern herrührten, sicher war sich aber niemand. In der zu unserem Hotel parallel verlaufenden Querstraße kam es zu einer Auseinandersetzung zwischen Polizisten und Demonstranten, und ein verbrannter Geruch zog stundenlang hinüber zum Hotelgelände, der von dem Rathaus von Granada herrührte, welches teilweise angezündet worden war. Ich muss wohl kaum erwähnen, dass kaum jemand wirklich geschlafen hat.
Das Video ist aus dem Internet und zeigt, wie das
Rathaus von Granada angezündet wird

So hörte sich die Auseinandersetzung vom Hotel
aus an

Was den ganzen Tag über angedeutet wurde, wurde am Abend zum sicheren Beschluss: einen Tag früher als geplant fuhren wir am Samstag Morgen um 6 Uhr morgens zurück. Die Gründe waren einleuchtend, also beschwerte sich auch niemand. Unser Programm konnten wir vergessen, da es im Moment einfach zu gefährlich war, auf die Straße zu gehen. Viele Wege waren außerdem gesperrt wurden, was die Betreuer vor allem in der Hinsicht beunruhigte, dass falls irgendjemand sich auf irgendeine Weise verletzen würde sie keine Möglichkeit hätten, ihn oder sie ins Krankenhaus zu bringen (die rutschigen Fliesen um den Pool herum waren eine besondere Gefahrenzone). Der Busfahrer äußerte seine Sorge, wie lange es noch möglich sein würde, die Grenze problemlos zu passieren. Und um ehrlich zu sein war es uns allen das liebste, so schnell wie möglich wieder costa ricanischen Boden unter den Füßen zu haben. Auf dem Rückweg hielten wir noch ca. eine Stunde in der Hafenstadt Puntarenas, um Mittag zu essen (zum Frühstück gab es aus Mangel an Möglichkeiten abermals kalte Pizza), danach machten sich alle auf den Heimweg.
Natürlich war dieser Ausflug nicht im geringsten so wie ich ihn mir vorgestellt hatte, jedoch kann ich nicht abstreiten, dass er mich auf vieles aufmerksam gemacht hat, was ich vorher kaum wahrgenommen hatte: die Menschen in Nicaragua leiden in ihrer eigenen Heimat unter diesen gewaltsamen Aufständen, nicht erst seit dem 19.04., sondern schon seit Jahrzehnten. Vielleicht habe ich schon mal von Protesten in diesem Land in den Nachrichten gehört, es aber nur beiläufig aufgenommen und mir nicht groß Gedanken darum gemacht. Doch was für mich nur eine mäßig interessante Information war, ist für Nicaraguaner eine Realität, vor der sie nicht flüchten können, indem sie den Fernseher ausschalten oder einfach wegfahren. 28 Menschen sind während der Aufstände gestorben, darunter auch ein fünfzehnjähriger Junge. Warum regen wir uns eigentlich über die Zustände in Deutschland auf? Wir leben in einem der reichsten und sichersten Länder der Welt, und natürlich ist auch bei uns einiges verbesserungswürdig, jedoch können wir unendlich dankbar sein, ohne Angst in einer stabilen Demokratie leben zu können, in der es uns freisteht zu sagen was wir denken und zu gehen wohin wir wollen. Ich zumindest werde ab jetzt versuchen, mir das etwas öfter in Erinnerung zu rufen.

Jule

PS: Wenn ihr noch etwas mehr über die Hintergründe der Aufstände erfahren wollt, schlage ich euch diesen Link vor:
https://www.nzz.ch/international/nicaragua-proteste-praesident-ortega-verliert-rueckhalt-ld.1379663